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- Der Erste Weltkrieg 1914–1918
Versailler Vertrag
Der Versailler Vertrag ist einer der fünf sog. Pariser Vorortverträge. Die Pariser Vorortverträge waren die Friedensverträge, die nach dem Ersten Weltkrieg zwischen den Siegermächten und den unterlegenen Mittelmächten geschlossen wurden. Sie wurden in verschiedenen Orten im Umland von Paris unterzeichnet. Die Verträge waren:
- der Vertrag von Versailles mit dem Deutschen Reich, unterzeichnet am 28. Juni 1919,
- der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye mit Österreich, unterzeichnet am 10. September 1919,
- der Vertrag von Neuilly-sur-Seine mit Bulgarien, unterzeichnet am 27. November 1919,
- der Vertrag von Trianon mit Ungarn, unterzeichnet am 4. Juni 1920,
- der Vertrag von Sèvres mit dem Osmanischen Reich, unterzeichnet am 10. August 1920.
Das Ergebnis der Verhandlungen wurde der deutschen Delegation am 7. Mai 1919 vorgelegt. Die Siegermächte, also die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien, verlangten die Unterzeichnung des Vertrages ohne Verhandlungen und Änderungen, ansonsten würden sie bis zur vollständigen Besetzung des Deutschen Reiches weiterkämpfen.
Die Friedensbedingungen
Gebietsverluste
- Elsass-Lothringen (wieder) an Frankreich
- Nordschleswig (wieder) an Dänemark
- Gebiete im Osten an Polen, teilweise nach Volksabstimmung
- Eupen-Malmedy an Belgien
- alle Kolonien
- Saarland für 15 Jahre an Frankreich
- Rheinland für max. 15 Jahre besetzt
Demilitarisierung
- Beschränkung des Heeres auf 100.000
- weitestgehende Auflösung der Marine
- Verbot des Wiederaufbaus der Luftwaffe
- Abgabe aller schweren Waffen
- Verbot der Wehrpflicht
- entmilitarisierte Zone um das besetzte Rheinland
Alleinige Kriegsschuld (Art. 231)
- Feststellung, dass “Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden” der Siegermächte verantwortlich ist als rechtliche Grundlage für umfassende Reparationszahlungen
Reparationszahlungen
- keine Festlegung der Höhe der Reparationszahlungen (1921: 132 Mrd. Goldmark)
- Sachleistungen (insbesondere Steinkohle)
Reaktionen in Deutschland
Die Reaktion auf die Friedensbedingungen des Versailler Vertrages in der deutschen Öffentlichkeit waren quer durch alle politischen Lager ablehnend. Diese generelle Ablehnung rührt auch daher, dass die deutsche Öffentlichkeit nicht über die tatsächliche politische und militärische Lage informiert war. Die Oberste Heeresleitung (OHL), die zum Schluss auch quasi die politische Macht im Deutschen Reich innehatte, verbreitete Fehlinformationen, beschönigte die Lage und vermittelte, dass ein Sieg immer noch möglich sei. Während des Krieges war die Pressefreiheit praktisch aufgehoben, seit 1916 fand eine konsequente Zensur statt. Darüber hinaus wurde durch den Umstand, dass kein einziger feindlicher Soldat in Deutschland war, der Eindruck erweckt, das deutsche Heer befinde sich weit im Feindesland.
Der Versailler Vertrag löste in Deutschland eine landesweite Empörung aus. Die Deutschen fühlten sich gedemütigt, ungerecht behandelt und ihrer nationalen Ehre beraubt. Sie lehnten die Kriegsschuld, die Reparationen, die Gebietsabtretungen und die Abrüstung ab. Sie sahen den Vertrag als ein Diktat der Siegermächte, das ihre Existenz und Zukunft bedrohte. Sie protestierten gegen den Vertrag mit Demonstrationen, Streiks, Flugblättern und Plakaten. Sie forderten eine Revision oder einen Widerruf des Vertrags. Die Forderung nach einer Revision des Versailler Vertrages wurde zum Kernpunkt der nationalsozialistischen Propaganda.

Tatsächlich wird der Versailler Vertrag revidiert:
- 1926 wird Deutschland Mitglied des Völkerbundes.
- 1929 wurde die Höhe der Reparationszahlungen abgesenkt. (Young-Plan)
- 1930 endet die Besetzung des Rheinlandes.
- 1932 enden die Reparationszahlungen.
Die Kriegsschuldfrage
Die Festschreibung der alleinigen deutschen Kriegsschuld war zunächst einmal die juristische Grundlage für den Anspruch der Siegermächte auf deutsche Reparationszahlungen. Mit tatkräftiger Unterstützung durch staatliche Propaganda hielt sich die “Kriegsunschuldslegende” in der Weimarer Republik hartnäckig. Die Ablenkung von der deutschen Kriegsschuld war für die deutsche Politik entscheidend, weil sie eine argumentative Grundlage für die Forderung nach einer Revision des Versailler Vertrages darstellte.
In der Bundesrepublik wurde in den 1960er-Jahren die Frage nach der deutschen Kriegsschuld in der Geschichtswissenschaft diskutiert. Auslöser war die Veröffentlichung des Buches “Griff nach der Weltmacht” des Historikers Fritz Fischer, in der dieser die These vertritt, das Deutsche Reich habe – als verspätete Großmacht – planmäßig und zielgerichtet einen Eroberungskrieg begonnen mit dem Ziel, europäische Hegemonialmacht zu werden. Insofern hat das Deutsche Reich den Hauptteil der Verantwortung für den Ersten Weltkrieg zu tragen.
Gegen diese These Fischers wurden immer wieder Einwände hervorgebracht, beispielsweise, dass nicht nur das Deutsche Reich mit dem “Blanko-Scheck” umfassende Garantieerklärungen gegeben hat, sondern auch Frankreich gegenüber Russland. Außerdem könne Österreich-Ungarn nicht ausschließlich als Opfer deutscher Intrigen gesehen werden, sondern habe mit dem Attentat von Sarajewo auch einen willkommenen Anlass gefunden, gegen Serbien vorzugehen.
Die Forderung nach einer genaueren Untersuchung der komplexen Ursachen und einer differenzierten Beurteilung darf nicht mit einem Freispruch des Deutschen Reiches gleichgesetzt werden, wie dies insbesondere dem Historiker Christopher Clark nach der Veröffentlichung seines Buches Die Schlafwandler – Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog (2013, engl. Original 2012) vorgeworfen wurde. Teilweise reflexartig wurde eine kritische Auseinandersetzung mit den Fischer-These mit einer kompletten Entlastung des Deutschen Reiches gleichgesetzt. Eine differenzierte Analyse verschiedener Faktoren muss jedoch möglich sein, auch ohne die besondere deutsche Verantwortung zu relativieren.
Müssen die Geschichtsbücher umgeschrieben werden?
Diese Frage bezüglich der Kriegsschuldfrage geht an die Historiker Sönke Neitzel, Wolfram Wette und Christopher Clark:
Aufgabe: Prüfe doch mal dein Geschichtsbuch, welche Position darin zur deutschen Kriegsschuld vertreten wird. Falls Christopher Clark erwähnt wird: Wird er lediglich als Gegenpart zur Fischer-These herangezogen, der die Absicht hat, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren, oder erfolgt eine differenzierte Auseinandersetzung.
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