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- Das deutsche Kaiserreich 1871–1918 (under construction)
Politik gegenüber “Reichsfeinden”
Als “Reichsfeinde” wurden im deutschen Kaiserreich politische Gegner bezeichnet. Dabei handelt es sich hier im Wesentlichen um Katholiken und Sozialdemokraten, aber auch andere Gruppen konnten mit diesem Wort diskreditiert werden. Reichskanzler Otto von Bismarck sah in Katholiken und Sozialdemokraten “Reichsfeinde”, weil diese aufgrund ihrer internationalen Ausrichtung eher ein Hindernis für einen deutschen Nationalstaat sah.

Im sog. “Kulturkampf” gegen die katholische Kirche wurden zunächst in Preußen, ab 1872 auch im Reich eine Reihe von Gesetzen erlassen. Zum einen wurden die Zivilehe und die staatliche Schulaufsicht eingeführt, zum anderen wurde mit dem “Kanzelparagraphen” Geistlichen unter Androhung einer Haftstrafe verboten, in ihren Predigten politische Inhalte zu thematisieren. Gleiches galt für die Auseinandersetzung mit politischen Themen in Zeitungen, Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen. Zahlreiche Geistliche, insbesondere Bischöfe, wurden inhaftiert oder mussten ins Ausland fliehen.
Letztlich waren die Maßnahmen des “Kulturkampes” nicht erfolgreich. Bismarcks Unterdrückungsmaßnahmen führten zur Kritik auch von protestantischer und liberaler Seite. Das Zentrum, eine katholische Partei im Kaiserreich, konnte ihre Stimmen bei der Reichstagswahl 1874 gegenüber 1871 signifikant erhöhen, bei den Reichstagswahlen 1877 und 1878 wurde das Zentrum zur zweitstärksten Kraft. Bismarck musste in der Folge alle Einschränkungen der katholischen Kirche bis auf die Zivilehe und die staatliche Schulaufsicht zurücknehmen.
Mit dem Sozialistengesetz (“Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie”) versuchte Bismarck Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten zu bekämpfen. Als Vorwand nahm Bismarck zwei erfolglose Anschläge auf Wilhelm I. im Jahr 1878, die aber verwirrten Einzeltätern zuzuschreiben sind. Das 1878 u. a. gegen die Stimmen des Zentrums verabschiedete Gesetz verbot entsprechende Vereine, Versammlungen und Schriften. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion blieb aufgrund ihrer Immunität unangetastet. Zahlreiche Sozialdemokraten flohen ins Ausland und setzten von dort ihre Arbeit fort.
Letztlich war Bismarck auch mit dem Sozialistengesetz nicht erfolgreich. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wuchs ab 1881 mit jeder Wahl. Von 1890 bis zum Ende des Kaiserreiches waren die Sozialdemokraten die größte Fraktion im Reichstag. 1890 wird das Sozialistengesetz aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse (Sozialdemokraten, Zentrum, Linksliberale mit jeweils fast 20 %) nicht mehr verlängert. Den Aufstieg der Sozialdemokraten durch Repression konnte Bismarck auch nicht durch die Einführung einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung verhindern.
Info: Das Sozialistengesetz (DHM)
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